Naturerbe versus Arbeitsplätze
Im vergangenen Jahr hat die Regierung Sambias dem Unternehmen Legacy Holdings Zambia Konzessionen zum Bau von touristischen Anlagen auf einem Gelände von 220 Hektar für neun Millionen US Dollar zugesichert. Vereinbarungen über eine periodische Steuerabgabe liegen unter Verschluss. Die Baupläne und die Landvergabe an den privaten Investor sind ein Politikum, schließlich ist das Gebiet Teil des Moshi-O-Tunya Nationalparks, der 1989 von der UNESCO zum Weltnaturerbe erklärt wurde.
Tourismus- und Naturschutzbehörde, die Gewerkschaft der Hotelangestellten und auch der traditionelle Dorfvorsteher von Mukuni, in dessen Chiefdom der Park liegt, sprechen sich für den Bau aus: In einem Land, in dem es für 10 Millionen EinwohnerInnen nur knapp eine halbe Million Arbeitsplätze im formellen Sektor gibt, während Zweidrittel der Bevölkerung mit weniger als einem Dollar am Tag auskommen müssen, sollte man den Naturschutz nicht höher bewerten als die Chance auf 2.000 neue Jobs, so wird argumentiert. Umweltschutz ginge sonst auf Kosten des Kampfes gegen die Armut, sei also unsozial und unverantwortlich. Anlässlich einer Umweltverträglichkeitsstudie, die im November 2006 zu öffentlichen Anhörungen in der 200.000 Einwohner zählenden Stadt Livingstone führte, versicherte Legacy Holdings Zambia größte Umweltsensibilität bei der Umsetzung der Baupläne .
Zivilgesellschaftliche Umweltgruppen wie der Environmental Council Zambia oder die Citizens for a Better Environment warnten vor weiterer Naturzerstörung: Der Verbau des Ufers ziehe die Ökologie der Wasserfälle und Flusslandschaft in Mitleidenschaft. Die Baugegner beziehen sich dabei auf die Auswirkungen der Entnahme von Wasser der bereits operierenden Hotels und auf die Beeinträchtigung der Wanderung der Wildtiere durch Uferverbauung sowie eine Verschlechterung der Wasserqualität durch die zunehmende Anzahl von Vergnügungsdampfern. Zugleich warnen sie davor, dass die UNESCO den Schutzstatus zurückziehen und damit das Tourismusgeschäft erheblich beeinträchtigen könnte, was schließlich auch in Bezug auf die Arbeitsplätze kontraproduktiv sei. Tatsächlich äußerte die UNESCO auf ihrem Treffen in Vilnius im Juli 2006 Sorge bezüglich des Ausbaus der Infrastruktur und forderte sowohl Sambia als auch Simbabwe zu einem Bericht auf: Der Schutzstatus der Viktoriafälle könnte bei der drohenden zunehmenden Umweltverschmutzung aufgrund unkontrollierter Tourismus- und Stadtentwicklung zurückgenommen werden, heißt es. NAMAC, eine im Bereich Korruptionsbekämpfung tätige sambische NGO, sowie ein früherer sambischer Minister, heute Experte für Landrechtsfragen, warnten davor, Land ohne ordentliche Verfahren der Konzessionsvergabe an touristische Unternehmen zu vergeben. Denn dies schaffe einen rechtlichen Präzedenzfall und schwäche so auch in Zukunft die staatliche Regulierung entlang des Sambesi gegenüber den Interessen der Privatwirtschaft.
Das Unternehmen, das zu der südafrikanischen Gruppe Legacy Holdings International gehört, plant den Bau von zwei Hotels, 500 Chalets und einer Golfanlage für insgesamt 260 Millionen US Dollar. Der vor einigen Jahren fertiggestellte Bau des Sun Hotels von dem Hotel- und Kasinobetreiber Sun International war ähnlich umstritten. "Ich erinnere mich an die Diskussionen, bevor die Besitzer das Gelände bezogen", meint der Museumsdirektor Vincent Katanekwa. "Sie versprachen, mit sambischen Unternehmen zusammenzuarbeiten; der Transfer vom Flughafen und andere Dienstleistungen sollten von sambischen Kleinunternehmern übernommen werden. Doch das erwies sich als leeres Versprechen. Das Hotelmanagement brachte, als der Betrieb aufgenommen wurde, seine eigenen Geschäftspartner aus Südafrika mit, so etwa die Bush Company für den Transport der Gäste, sogar die Sicherungsdienste. Der Wandel in Livingstone bringt uns also nicht viel. Der neue Wind wehte in Richtung Privatbesitz. Die Regierung rief zur Privatisierung auf, ausländischen Investoren wurde alles auf einem silbernen Tablett serviert." Nicht zuletzt die Erfahrung mit diesem Objekt sorgt nun in Livingstone für Skepsis. "Vorherrschend war der Glaube", so Katanekwa, "die Regierung würde über die Besteuerung der ausländischen Unternehmen Gewinne machen. Doch wie will man Steuern erheben, wenn Konten und Geschäfte außerhalb des Landes geführt werden - das war damals schon die Kritik und wird auch heute noch diskutiert. Ich habe keine genauen statistischen Angaben, doch ich schätze, dass 90 Prozent des Tourismusgeschäftes in ausländischem Besitz sind." Seiner Meinung nach sind die Tätigkeiten, die an SambierInnen vergeben werden, nicht ausreichend, um sozialen Aufstieg zu bewirken, denn "das Arbeitsangebot bewegt sich primär auf der Ebene von niederen Hilfsarbeiten und begünstigt die Tagelöhnerei."
Inzwischen hat die sambische Regierung reichlich Kredite von der Weltbank und dem Internationalen Währungsfond für den Ausbau touristischer Infrastruktur erhalten . Im Bau befindet sich ein Einkaufszentrum am Stadtrand von Livingstone, der Flughafen wird für Direktflüge aus Europa hergerichtet. Levy Mwanawasa, seit 2002 Präsident des ehemals staatssozialistischen Landes, schlug eine Politik der Marktöffnung ein, die in Sambia durchaus kritisch bewertet wird. Die IWF- und Weltbankpolitik ist ein zweischneidiges Schwert, erst Mitte der 1990er Jahre wurden 20 Textilfabriken geschlossen. Das Scheitern der Fabriken gilt als Resultat der Strukturanpassungsprogramme, insbesondere Frauen verloren ihre Arbeit. "Nach dem Ende der politischen Macht über Sambia herrscht nun die Macht der internationalen Finanzen - das ist das Dilemma, in dem wir uns befinden," meint Katanekwa. "Wir sind bei Institutionen wie der Weltbank schwer verschuldet, die Politik des Landes wird von außen kontrolliert. Diese Entwicklungspartner haben gewisse Voraussetzungen, die Sambia erfüllen muss, wenn es zu irgendeiner Hilfsleistung Zugang bekommen will. So kommt es, dass nach und nach auch Arbeitsbereiche, in denen Sambier tätig sind, an ausländische Unternehmer vergeben werden. Die sambische Regierung handelt von einer schwachen Position aus, sie hat einfach nicht die politische Durchsetzungsmacht."
Die transnationalen Beziehungen im Bereich des Kapitals und Privatunternehmertums werden so immer verflochtener. Doch auch Arbeitskraft wird je nach Bedarf import- und exportiert. Migrantische Arbeitskräfte findet man im Tourismus in Sambia insbesondere in gehobenen Positionen unter den gut Ausgebildeten. Doch auch im unteren Lohnsegment sind MigrantInnen beschäftigt, die aus dem derzeit politisch und ökonomisch fragilen Simbabwe über die Grenze kommen. Konkurrenz um die Arbeitsplätze findet tatsächlich vor allem im Niedriglohnsektor statt. Hier arbeiten auch ausgebildete Simbabwer, die in ihrem Land nun keinen Job mehr finden. Für Sean Mweene ist offensichtlich, wer in dieser Situation den Kürzeren zieht: "Die Löhne für Frauen und Männer sind gesetzlich gesehen die gleichen, aber Männer bekommen die besser bezahlten Jobs. Frauen arbeiten als Küchengehilfinnen, als Putzkräfte, an der Bar oder in der Rezeption. Aber wenn Ausbildungszertifikate verlangt werden, im Management etwa oder in Führungspositionen, findet man Männer. Sie sind diejenigen, die auf die Schule gehen", sagt Sean Mweene. Dies erklärt zugleich, warum immer mehr Sambierinnen nach Südafrika gehen, um dort ihr Glück als Straßenhändlerin zu versuchen - und einen vermeintlichen Ausweg häufig nur in der Prostitution finden.
Bei dem Stechen und Hauen um die besseren Argumente zwischen Naturschutz und Arbeitsplatzpolitik machen es sich beide Seiten viel zu leicht. Weder die harsche Konkurrenz auf dem touristischen Arbeitsmarkt in Livingstone, noch die Frage nach den realen Chancen für die Mittelschicht der Sambier und für die Ungelernten oder noch unerfahrenen jungen Leute werden von den Verantwortlichen angemessen erörtert. Die ökonomische Rolle billiger und prekärer, oft migrantischer Arbeitskraft wird weitgehend ausgeblendet. Dem gegenüber steht die Realität: geschaffen werden im Tourismus vornehmlich unerreichbare Privilegien für Hochqualifizierte, ansonsten reproduziert sich eine gesellschaftliche Hierarchie, die niemand benennen will. Nur ein Plakat an der für westliche TouristInnen frei passierbaren Grenze zwischen Sambia und Simbabwe, das vor illegalen EinwanderInnen warnt, deutet auf den brodelnden Konflikt hin. Noch vor 10 Jahren wurden die Reisenden aus dem Westen, die von Sambia nach Simbabwe wollten sehr penibel kontrolliert, während sich die Einheimischen frei über die Grenzbrücke bewegten. Die touristische Entwicklung in Sambia und politische Krise in Simbabwe, die auch eine ökonomische ist und zu national aufgeladenen, sozialen Spannungen führt, hat diese Situation in ihr Gegenteil verkehrt.
Martina Backes