Heute hier, morgen fort

Tagsüber von neun bis fünf arbeitet er als Postmann in einer niederländischen Großstadt, ab sechs Uhr abends kontrolliert er Studentenausweise in einem Sportzentrum. Das Wochenende verbringt Vincent häufig in Belgien, als Kajakfahrer leitet er Bootstouren in den Ardennen. Im Sommer führt der Mitte dreißigjährige Raftguide Abenteuertouristen über die Stromschnellen des Sambesi unterhalb der Viktoria Fälle. Für zwei Monate im Jahr besucht der gebürtige Sambier seine Familie, die in einem Dorf nahe der Ausstiegstelle an der spektakulären Schlucht lebt, einige Kilometer von Livingstone entfernt, der ehemaligen Hauptstadt des kolonialen Rhodesien, benannt nach dem damaligen Entdecker und Missionar David Livingstone.

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Eine Art Goldgräberstimmung

Im Jahre 2005 bat Sambia nach langem Zögern aufgrund von Dürre und Nahrungsmittelknappheit um internationale Hilfe. Besonders schwer von der Hungersnot betroffen war der Süden des Landes, zugleich die einzige Region, die mit den Viktoria-Wasserfällen als namhafte touristische Attraktion des Landes auf der Nord-Süd-Route der Afrikareisenden vermerkt ist. Aus touristischer Perspektive war, wenn man nicht gerade Zeitung las oder die Elendssiedlungen am Rande der ehemaligen Kolonialhauptstadt Livingstone besuchte, wenig von der Notsituation zu spüren.

Für touristische Attraktion sorgten - neben Abenteuern auf Schlauchbooten und an Gummiseilen in der spektakulären Schlucht unterhalb der Wasserfälle - gleich zwei groß gefeierte Ereignisse: die hundertjährigen Geburtstage der Stadtgründung Livingstones und der nahe gelegenen Cecil Rhodes-Brücke über den Sambesi (dem Grenzfluss zu Simbabwe) sowie die "Entdeckung" der Viktoria-Fälle vor 150 Jahren durch den schottischen Missionar David Livingstone (in Sambia spricht man bevorzugt von "Sichtung"). Der Boom der touristischen Entwicklung, den Livingstone insbesondere seit den Unruhen in Simbabwe erlebt, äußert sich im Bau neuer Fünfsterne-Hotelanlagen und eines modernen Einkaufszentrums, in zunehmenden BesucherInnenzahlen und in vielen Gründungen von Kleinunternehmen wie Elefantenreiten oder Tontaubenschießen.

Neben der Euphorie und der weit verbreiteten Hoffnung auf Arbeit und Devisen gibt es durchaus kritische Stimmen. Drei von ihnen kommen in hier zu Wort: Vincent Katanekwa, Museumsdirektor des Livingstone Museum, Jean Mweene, Provinzvorsitzende des NGO-Netzwerkes für Frauengruppen, und Friday Mfuzi, Leiter der historischen Abteilung des Livingstone Museums. Mit ihnen trafen Martina Backes und Steffen Schülein Ende 2005 anlässlich der Dreharbeiten für den Dokumentarfilm "Livingstones Erben" in Sambia zusammen.

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Naturerbe versus Arbeitsplätze

Im Jahr 2006 hat die Regierung Sambias dem Unternehmen Legacy Holdings Zambia Konzessionen zum Bau von touristischen Anlagen auf einem Gelände von 220 Hektar für neun Millionen US Dollar zugesichert. Vereinbarungen über eine periodische Steuerabgabe liegen unter Verschluss. Die Baupläne und die Landvergabe an den privaten Investor sind ein Politikum, schließlich ist das Gebiet Teil des Moshi-O-Tunya Nationalparks, der 1989 von der UNESCO zum Weltnaturerbe erklärt wurde.

Auch der traditionelle Dorfvorsteher von Mukuni spricht sich für den Bau des Hotels aus ... hier weiterlesen